- by Tim
Morgen (am 26.04.) ist der Welttag des Geistigen Eigentums, und zu diesem Anlass möchte ich hier in etwas mehr als 140 Zeichen über Tweetklau schreiben, ein Thema, dass auf Twitter immer wieder aktuell ist. Was ist Tweetklau?
Dies ist die häufigste Form des Tweetklau. Jemand ist neu auf Twitter, weiß noch nicht so recht, worum es geht, versucht Aufmerksamkeit zu erregen, und postet einen lustigen Spruch von Facebook. Was er nicht weiß: 99% der lustigen Sprüche auf Facebook kommen von Twitter. Bis ihn jemand aufklärt, dass dies nicht die feine englische Art auf Twitter (“Netiquette”) ist, macht er damit leider weiter, bis Leute wie ich über superbekannte Tweets auf seinem Account stoßen, und ihn anschreiben. Und ihn wieder anschreiben, und wieder.
Grade wenn man bei jemandem wie @72Dkdent recht viele geklaute Tweets unter seinen Toptweets bei Favstar findet, wird es schwierig, dort nicht ein System zu unterstellen, doch zumindest scheint hier ein Einsehen stattzufinden, und der Tweet wurde gelöscht.
Warum ich den armen, und sonst so lieben @72Dkdent hier vorführe? Naja, ich hätte auch irgendwen anders nehmen können, aber er lief mir halt heute vor die Flinte, und da es sich hier um mehrfachen Tweetdiebstahl handelt, ist er ein gutes Beispiel. Er soll aber nicht an den Pranger, denn es gibt tausende weitere, wie ihn, denn sie wissen nicht, was sie tun. Hoffentlich.
Dieses Tweetklau-Phänomen gibt es aber auch in definitiv-nicht-aus-Versehen:
Das ist Tweetklau, hier in einer anscheinend absichtlichen Ausprägung. (Update: ist jetzt anonymisiert, linkerhand ist aber immer derselbe Account zu sehen.) Man übernimmt inhaltlich gute Tweets, und nutzt die größere Reichweite, um damit erfolgreiche Tweets zu schaffen. Erfolgreich im Sinne von viele RTs, die wiederum größere Reichweite durch Neufollower erzeugen. Ob es auf Twitter um Reichweite geht, passt nicht in diesen Post, aber ich postuliere mal, dass es bei Tweetklau immer um Reichweite geht. Zur Absicherung wird noch irgendein Detail geändert. Dies ist mutwillig und, sagen wir’s doch offen, scheisse.
Natürlich wird es immer schwerer, solche Gedankendiebstähle nachzuvollziehen, wenn man sie aus dem Englischen übersetzt, oder sogar von ganz woanders her klaut, als von Twitter:
Dies geht bis in weitere Grauzonen, dass jemand ein lustiges Foto ins Internet postet, man dies kopiert und in einen Tweet packt, der dann ein Toptweet wird, ohne Credit an den eigentlichen Urheber. Nichtsdestotrotz ist dies Cheating, und ich würde in diesem Artikel auch niemanden anprangern, der mir nicht wiederholt mit solchen Praktiken aufgefallen ist.
Warum ist Tweetklau scheiße?
Die Macher von Twitter erfanden den Retweet-Knopf, damit man mit zwei Klicks einen Tweet teilen kann, und dabei demjenigen, der die tolle Idee hatte, gleichzeitig seinen Respekt zollt.
Im ersten Fall kann man sagen, hey, sie wussten nicht, dass diese Sprüche von Twitter kommen, aber selbst dann wäre es recht grenzdebil, nicht einfach das Bild von Twitterperlen, Made-My-Day, oder anderen kommerziellen Tweetdieben zu posten, auf denen immerhin meist in winzig kleiner Schrift der Twittername des Verfassers zu finden ist, sondern stattdessen den Tweet Wort für Wort abzuschreiben.
Im zweiten Fall ist es ein aufpolieren, ein sich-mit-fremden-Federn-schmücken, und zwar so, dass man sogar hofft, dass der Tweet des kleinen Accounts untergeht, weil die eigene Reichweite höher ist, und der Tweetklau somit gar nicht auffällt. Da fällt auch dem besten Kreativling keine Entschuldigung mehr ein. Man hätte den ursprünglichen Tweet ja retweeten können, hat sich aber stattdessen bewußt für einen Klau entschieden.
Wie damit umgehen?
Wenn Sie Tweetklau finden: Beleidigungen sind ein No-Go (siehe #Twitteruni Lektion #1), neutrale Hinweise aber sind wünschenswert und berechtigt. Ich schreibe gerne als Reply unter einen Tweet “Hier das Original [Link zum Originaltweet]”. Dann kann der Tweetdieb selbst entscheiden, wie er damit umgeht. Einige ignorieren dies und blocken den Hinweisenden (wie die anonymisierte Mehrfachtäterin oben), oder Beleidigen den Hinweisenden, blocken ihn und löschen nachher alle Tweets, die auf den Tweetklau hinweisen, und dann auch die Beleidigung (gestern z. B. @BartDerMacht), ich zum Beispiel habe vor kurzem aus Versehen diesen Tweet geklaut, wurde darauf aufmerksam gemacht, löschte die Kopie, retweete das Original und pokalisierte den Tweet sogleich.
Wenn Sie Tweetklau machen: Möglicherweise denken Sie “Stellt euch doch nicht so an”, “Ich google doch nicht jeden Tweet, den ich schreibe” oder “Hey, ich hab eben dasselbe gedacht." — Tja. Ich stelle mich aber an. Und wenn du den Tweet abtippst, dann kannst du ihn auch einfach bei Google eintippen. Und wenn du dasselbe denkst, kannste mir nicht erzählen, dass du das in derselben Formulierung gedacht hast. Oft mag es passieren, dass man einen Tweet so gelesen hat, und später das Gehirn dieselbe Formulierung ausspuckte, aber wenn euch jemand drauf hinweist, dann benehmt euch doch, um Himmels willen.
Grauzonen: Natürlich gibt es unendlich viele Tweets, die sich sehr ähnlich sind. Bei einem Tweet mit dem Inhalt “Penis!” wird niemand nach Tweetklau schreien, bei allem, was extrem kurz ist, wohl auch kaum. Dieselbe Idee wird allerdings wohl immer wieder in wechselnden Interpretationen auftreten. Ich denke, solange man kein System sieht, muss man auch mal alle Fünfe grade sein lassen. Ein Link zum Original hat allerdings auch noch niemandem weh getan.
Handelt es sich wirklich um eine Urheberrechtsverletzung?
Meist nicht. Gerichte sehen in 140 Zeichen mangelnde Schöpfungshöhe. Hierzu kam grade noch ein schöner, abschließender Tweet rein:
In der Zeit, in der andere “mangelnde Schöpfungshöhe!” krähen, habe ich drei Mal “Anstand”, “Fairness” und “Selbstachtung” gesagt.
So. Millionen Twitterer beweisen täglich, dass das menschliche Gehirn immer wieder Neues erschafft, und Altes auf neue Art kombiniert. Also, nun werden Sie mal wieder selbst kreativ.
Hier finden Sie einen Moment von @MKLtxt zum Thema Tweetklau.