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Spielesucht – Teil 1

Lost in virtual worldsImmer mehr Menschen sind süchtig nach dem Internet – man spricht von Onlinesucht. Bei vielen ist das Symptom mit sozialen Netzwerken wie StudiVZ, MySpace oder Forensystemen und dem permanenten Einsatz von Chatsoftware wie ICQ und IRC begründet. Einige nicht so technisch versierte Nutzer gucken ständig bei eBay nach Schnäppchen und rufen alle 5 Minuten ihre E-Mails ab. Auch andere Web 2.0-Seiten fordern die Aufmerksamkeit der Menschen. Web 2.0-Seiten sind eigentlich inhaltsleer – sie bieten nur Werkzeuge an, mit denen Anwender Inhalt veröffentlichen und miteinander Kommunizieren können. Leute, denen langweilig ist, können sich damit beschäftigen, und da es viele Leute gibt, denen langweilig ist, entstehen Seiten wie Youtube, MySpace oder Flickr. Man sitzt vorm Computer und ist doch nicht alleine – das Social Web macht echte Begengungen für manche Menschen überflüssig.

Im Rahmen eines Kongresses zum Thema “soziotechnische Systeme” an der Universität Oldenburg im Modul “Informatik und Gesellschaft” erarbeitete die Kleingruppe, an der ich beteiligt war, das Thema Spielesucht. Ich habe selber leidvolle Erfahrungen in Sachen Spielesucht gemacht, und damit Jahre meines Lebens verschwendet. Ich kann von Glück sagen, den Absprung Eine andere Welt - Wer braucht schon die Echte?geschafft zu haben, denn vielen gelingt das nicht. Die Folge ist oft soziale Inkompetenz, schulischer/beruflicher Absturz und daraus folgend sozialer Abstieg und Depressionen aufgrund von Ausweglosigkeit. Ein erster Schritt aus dem Dilemma ist das bewußt-werden, dass man süchtig ist. Dieser Artikel soll hierzu dienen, wie auch der Deutung von Symptomen anderer Spielsüchtiger, die oft alleine keinen Ausweg aus der Sucht finden können. Ausserdem handelt es sich um ein spannendes Thema, das immer mehr Menschen auch in ihrer Umgebung betrifft.

In diesem mehrteiligen Artikel sollen Formen der Spielesucht beschrieben werden. Zuerst wird geklärt, was Spielesucht überhaupt ist. Dann wird beispielhaft auf World of Warcraft, Browsergames, Online-Poker, Turnierspiele (z. B. Counterstrike), Computer- und Konsolenspiele und einige andere Spiele wie Trading Card Games eingegangen. Ich stelle hier die einzelnen PDFs der Vorträge zur Verfügung. Dies ist Teil 1 des Spielesucht-Artikels, in welchem es darum geht, zu definieren, was eine Sucht und was in der Folge Spielesucht ist.

Was ist eine Sucht?

Der Begriff Sucht existiert im Sprachgebrauch der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 1957-1964 und wurde danach durch Missbrauch bzw. Abhängigkeit, wobei umgangssprachlich Sucht und Abhängigkeit synonym verwendet werden.

Abhängigkeit steht für das Verlangen nach bestimmten Stoffen oder Verhaltensformen. Diesem Verlangen werden Kräfte des Verstandes untergeordnet. Die Abhängigkeit beeinträchtigt die freie Entfaltung der Persönlickeit und zerstört soziale Bindungen und sozialen Chancen eines Indiviuums.

Stoffgebundene Abhängigkeiten (z.B. Alkohol-, Nikotin-, Heroinabhängigkeit, …) kommt eine repräsentative Bedeutung zu, da man diesen auf allen Gebieten des menschlichen Lebens und Verhaltens begegnen kann (Beispiel: Rauchen, Alkohol).

Aber auch Arbeiten, Sammeln, Kaufen, Spielen, Essen oder Sexualität können sich zu einer Abhängigkeit steigern, der ein Krankheitswert zukommt. Diese Abhängigkeiten werden als stoffungebundene Abhängigkeiten bezeichnet.

Hinter einer Sucht steht immer auch das Bedürfnis nach Beziehung, Liebe, Kontakt, Lust, Zufriedenheit oder ähnlichem. Die Sucht stellt dabei eine Ersatzhandlung dar, bei der geistige und emotionale Energie auf die Auseinandersetzung mit dem Suchtmittel gerichtet ist. Dadurch werden die Notwendigkeit menschlicher Kontakte oder Anforderungen des Alltags missachtet. Hierbei ist es egal, ob es sich dabei um stoffgebundene oder stoffungebundene Suchtmittel handelt.

Zur Definition einer Abhängigkeit werden von der WHO sechs Kriterien erhoben:

  1. Toleranzentwicklung: um gewünschten Effekt zu erzielen müssen mit der Zeit immer größere Mengen konsumiert werden oder es treten beim Konsum deutlich geringere Effekte auf.
  2. Unstillbares Verlangen: selbst nach Einnahme bzw. Durchführung des Verhaltens wird kein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt, so das das Verlangen immer weiter ansteigt.
  3. Kontrollverlust: verminderte Kontrolle über den Substanzgebrauch, also Kontrollverlust über Beginn, Beendigung oder Menge über eine längeren Zeitraum als geplant, oder erfolglose Versuche Konsum zu verringern oder zu kontrollieren.
  4. Entzugserscheinungen: wird die Sucht nicht befriedigt, können unterschiedliche Entzugserscheinungen auftreten, unter anderem Muskelzittern, Schweißausbrüche oder Aggressivität.
  5. Negative Konsequenzen: Fortgesetzter Konsum, obwohl sich der/die Betreffende über die Art und das Ausmaß der Schädigung bewusst war oder hätte bewusst sein können (selbstschädigendes Verhalten).
  6. Einengung auf den Substanzgebrauch: andere wichtige Interessen, Vergnügen, Arbeit und Beziehungen werden vernachlässigt, oder es wird viel Zeit darauf verwandt, sich die Substanz zu beschaffen , zu konsumieren oder sich von den Auswirkungen des Konsums zu erholen.

Diese Kriterien müssen mindestens einen Monat bestehen oder in zwölf Monaten wiederholt bestanden haben. Wenn drei dieser Kriterien erfüllt sind kann von einer Abhängigkeit gesprochen werden.

Kriterien für Spielesucht

Spielehersteller haben gewisse Faktoren entdeckt, die die Erzeugung von Sucht beim Spieler ermöglicht. Die Erzeugung von Suchtgefühlen in Konsumenten nach dem eigenen Produkt ist eine hochwirksame Möglichkeit, sehr viel Profil zu machen. Wie in der Zigarettenindustrie werden diese Faktoren auch gerne von Spieleherstellern wie z. B. Bizzard mit ihrem Onlinerollenspiel “World of Warcraft” eingesetzt. Diese Faktoren sind sind wie oben erklärt dem Bedürfnis nach Beziehung, Liebe, Kontakt, Lust und Zufriedenheit abgeleitet, ich möchte dieser Liste auch noch die Begriffe Anerkennung, Machtgefühl, Selbstdarstellung und Verdrängung hinzufügen und noch den Begriff des virtuellen sozialen Umfelds definieren.

Virtuelles Soziales Umfeld

In Spielen, in denen die Spieler miteinander kommunizieren können, entsteht durch Kommunikation ein virtuelles soziales Umfeld. Diese Kommunikation kann in Form von Chatten oder über Ton- oder Videotelefonie stattfinden, oder auch durch Nutzung von kommunikativen Systemen wie Foren oder ähnlichem. Auch über automatisierte System treten Spieler dabei in Interaktion miteinander, in dem sie sich zum Beispiel Gegenstände vertauschen oder Aufgaben zusammen lösen. In Praktisch allen Spielen kann ein Spieler hierzu einem Team (auch Clan, Gilde, Gruppe) beitreten, in welchen er Verpflichtungen gegenüber dem Team übernimmt und dafür Vorteile im Spiel erhält, die zum Beispiel seine Macht steigern. Häufig bleiben Spielern Teile des Spiels verschlossen, wenn sie sich keinem Team anschliessen. Daher zwingt ein Spieleentwickler die Spieler, an diesen sozialen Umfeldern teilzunehmen.

Unter den Verpflichtungen ist der Zeitaufwand für das Spiel meist die Vorherrschende. Da ein Spieler durch aktives Spiel seinem Team hilft, werden Spieler, die viel Zeit für das Spiel aufwenden können, in den Teams bevorzugt. Das soziale Umfeld des Teams sorgt daher beim Spieler für ein Verpflichtungsgefühl, und dieses wiederum für psychischen Druck. Aufgrund der Faktoren der Selbstdarstellung, des Machtgefühls und der gewünschten Anerkennung bevorzugen Spieler wiederrum mächtige Teams, die sich aus mächtigen Spielern zusammensetzen, die also viel Zeit auf das Spiel verwenden.

Machtgefühl

Dieses wird in den meisten Computerspielen umgesetzt, da die Spielfigur Entscheidungen treffen kann, die die Welt um sie herum verändert und meist auch die anderen am Spiel teilnehmenden Spieler beeinflusst. Die Macht der Spielfigur lässt sich in praktisch jedem süchtig machenden Spiel durch Investition von Zeit vergrößern. Meist ist der Machtgewinn einer Spielfigur proportional zur investierten Zeit, was häufig zu einem Kontrollverlust über die investierte Zeit führt.

Anerkennung und Selbstdarstellung

Ein Spieler, der in einem Spiel viel erreicht hat, erntet die Anerkennung seiner Mitspieler. Auch sportlicher Wettstreit führt bei hohem Einsatz des Spielers zum Respekt anderer. Dies wird häufig durch Bestenlisten unterstützt, oder durch einen Wert, der die Mächtigkeit des Spielers darstellt (“Level”, “Erfahrung”, etc.). Meist kann ein Spieler auch die Erscheinung oder die Beschreibung seiner Spielfigur individuell gestalten, was dem Spieler eine bessere Identifikation mit seiner Spielfigur erlaubt.

Forschungsdrang, “Durchspielen”

Viele Spieler finden ein Spiel so interessant oder finden einfach so viel Spaß daran, dass sie es gerne “durchspielen” wollen, d. h. die komplette Handlung eines Spieles erlebt haben wollen. Oftmals endet der Suchtfaktor eines inhaltbasierten Spieles, wenn der Spieler das Gefühl hat, alles gemacht und gesehen zu haben. Doch das wissen auch die Spielemacher, und mit den großen Computerspielen wird längst mehr Geld verdient, als mit Kino-Blockbustern. Die Anzahl der mitwirkenden Spieledesigner und Programmier wächst somit mit jedem neuen Titel.

Aus diesem Grunde lassen sich inhaltsbasierte Spiele wie World of Warcraft dank der in regelmäßigen Abständen erscheinenden Updates nie durchspielen. Wie viel Zeit man investieren muss, um theoretisch den kompletten Inhalt von World of Warcraft durchzuspielen, erläutere ich im zweiten Teil dieses Artikels. Andere Spiele wie GTA bieten eine komplexe Welt, die aufgrund der Anzahl der Missionen und Nebenmissionen auch (so gut wie) nicht durchzuspielen ist. Nicht-inhaltbasierte Spiele wie diverse Strategiespiele können sowiso nicht durchgespielt werden, das Problem besteht hier für die Spieleentwickler nicht.

Kommunikation und Langeweile

Zur Vertreibung von Langeweile kann sich ein Spieler natürlich auch in ein Spielgeschehen einloggen. Oftmals treffen sich dort Freunde, zuerst oft noch real bekannte Freunde, später vermehrt Freunde, die sich innerhalb des Spiel kennen gelernt haben, sich aber noch nie getroffen haben. Hier kann man sich mit bedeutungslosen Gesprächen, zum Beispiel über das Spielgesehen ablenken, und der Spieler kann sich so auch vorgaukeln, er halte Kontakt zu seinen Freunden.

Der nächste Artikel

Im nächsten Artikel werde ich (zumindest) die Spiele World of Warcraft (ein massive multiplayer online role-playing game, kurz MMORPG) und Magic – The Gathering (ein Kartenspiel in der echten Welt) näher beleuchten, ihre konkreten Suchtfaktoren aufzählen, und vielleicht auch ein paar Videos verlinken, die abschreckende Beispiele von Spielern zeigen – oder sollte ich sie verlorene Seelen nennen?

2 thoughts on “Spielesucht – Teil 1

  1. Könnten Sie bitte den Link für den nächsten Artikel posten
    “Im nächsten Artikel werde ich (zumindest) die Spiele World of Warcraft (ein massive multiplayer online role-playing game, kurz MMORPG) und Magic – The Gathering (ein Kartenspiel in der echten Welt) näher beleuchten, ihre konkreten Suchtfaktoren aufzählen, und vielleicht auch ein paar Videos verlinken, die abschreckende Beispiele von Spielern zeigen – oder sollte ich sie verlorene Seelen nennen?”

    oder wurde der Artikel nicht verfasst?

    Vielen Dank

  2. Hallo Max … nein, diesen Artikel habe ich leider nie verfasst, weil der Aufwand mir zu hoch war. Leider habe ich dazu auch momentan keine Zeit, da ich eifrig an meiner Diplomarbeit schreibe. Wenn du aber an etwas bestimmten interessiert sein solltest, kann ich dir vielleicht ein PDF schicken?

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